Biomagnetismus


Forschungsgegenstand des Biogeomagnetismus ist die Wechselwirkung von Organismen mit dem Erdmagnetfeld. Am Münchener Geophysikinstitut wurde dieses Forschungsgebiet in den frühen Achtziger Jahren etabliert, als Nikolai Petersen magnetische Bakterien in Tiefseesedimenten entdeckte. Seit etwa 1995 gehen wir auch der Frage nach, welche physikalischen Mechanismen bei der Wahrnehmung des Magnetfeldes in höheren Organismen zum Tragen kommen. Die untersuchten Themen reichen weit in das Gebiet der Biologie/Neurophysiologie bzw. Mikrobiologie/Biochemie hinein. Wir kooperieren deshalb mit international renommierten Spezialisten auf dem Gebiet der Mikrobiologie, Biophysik, Neuro- und Verhaltensbiologie (Bremen, Kalifornien, Rio de Janeiro, Moskau, Stuttgart-Hohenheim).

Im einzelnen beschäftigen wir uns derzeit mit folgenden Themen:


Magnetische Bakterien

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Photo: Marianne Hanzlik

Diese 1975 erstmals beschriebenen Mikroorganismen finden sich in den meisten aquatischen Habitaten und zeichnen sich dadurch aus, dass sie ferrimagnetische Kristalle (etwa 50 nm groß) in ihrem Zellkörper aufbauen, sog. Magnetosome. Die Kristalle, zumeist aus Magnetit, werden dabei in Form von Ketten angeordnet. Ein solche Magnetosomenkette kann man sich als mikroskopische Kompassnadel vorstellen, welche das Bakterium entlang von Magnetfeldlinien schwimmen macht. Derzeit untersuchen wir die magnetischen Eigenschaften der Magnetosome und befassen uns mit der weitgehend ungelösten Frage, nach welchen Gesetzen die Biomineralisation in Bakterien erfolgt (Kooperation mit Dirk Schüler am MPI für Marine Mikrobiologie in Bremen).

Daneben versuchen wir herauszufinden, ob die in Marsmeteoriten gefundenen Magnetitkristalle bakteriellen Ursprungs sein können (Kooperation mit Imre Friedmann, NASA Space Science Division, Kalifornien).

Magnetische Vielzeller

Das derzeit spektakulärste Projekt (in Zusammenarbeit mit Henrique Lins de Barros und Darci Motta am CBPF in Rio de Janeiro und Marcos Farina an der UFRJ) ist dem sog. multizellulärem Prokaryoten gewidmet, einem aus etwa zwanzig identischen Zellen bestehendem Organismus, deren jede einzelne Zelle Magnetosomenketten enthält. Hier gilt es die Frage zu beantworten, ob es sich bei diesem Sonderweg der Evolution um ein End- oder Durchgangsstadium handelt. Unsere ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Organismen zumindest magnetisch optimiert sind.

Magnetsinn in höheren Organismen

Zugvögel und andere Langstreckenzieher können sich auf ihren langen Wanderungen am Erdmagnetfeld orientieren. Welche physikalischen Mechanismen dieser bemerkenswerten Fähigkeit zugrunde liegen ist allerdings ungeklärt. Immerhin ist es uns gelungen, im Schnabel der Briefttaube einen strukturellen Kandidaten für den Magnetfeldrezeptor zu identifizieren.

Seit kurzem wenden wir dieselbe Methodik auf Zebrafische und Forelle an, um den Magnetfeldrezeptor von Fischen zu lokalisieren (mit Denis Shcherbakov, Uni Stuttgart Hohenheim).

Mehr zum Thema erhältlich unter Vom magnetischen Bakterium zur Brieftaube: Geo-Biomagnetismus, Physik in unserer Zeit, 35(3), 120-127, 2004